Posted by FP On August - 5 - 2014 0 Comment

Was wurde nicht alles über das Spiel Brasilien gegen Deutschland geschrieben und geredet. Vorher wie nachher war die Berichterstattung opulent, vor allem im Anschluss an das Spiel. Fast ein wenig unter ging es da, dass Argentinien seit 1990 erstmals wieder im Halbfinale steht und Holland mit einer Mannschaft, der man nahezu nichts zutraute, das selbe Kunststück gelang und sie somit die große Chance hatten, in zwei aufeinanderfolgenden Endspielen der WM ins Finale einzuziehen. Beide Spiele waren dann auch noch so unterschiedlich, wie es nur hätte sein können: Hier die rauschende Fußballnacht, die vom deutschen Nationalteam zelebriert wurde und von den bemitleidenswerten Brasilianern hingenommen werden musste, dort die einschläfernde Partie ohne wirkliche Torchancen, hier der Teamfußball, dort zwei Stars – Messi und Robben -, die nicht genügend Impulse geben können. Auf der einen Seite wurde Löw gefeiert, auf der anderen van Gaal verspottet. Und das ist dann auch der Punkt, an dem gerne eingehakt werden darf. Denn was rund um diese beiden Spiele letztlich passierte, wirft kein gutes Licht auf die Medienlandschaft. Löw feiern, Scolari höchstens bemitleiden und sonst ignorieren, van Gaal verspotten und Sabella gänzlich ignorieren, so könnte man wohl die Herangehensweise beschreiben, die sich offenbarte. Und so wirklich gerechtfertigt scheint sie hinsichtlich keiner der vier Trainer. Ein kurzer Überblick soll zeigen, wieso man das ganze auch anders betrachten kann und vielleicht auch sollte:

Löw: Schaut man sich die Leistung der Nationalelf bei dieser WM an, kann man sicher konstatieren, dass Löw nicht so viel falsch gemacht haben kann. Er zeigte sich sogar erstaunlich flexibel, lernte aus Fehlern, revidierte Entscheidungen und fand zumindest gegen Brasilien in den ersten 15 Minuten – die danach kann man kaum noch als ernsthaftes Spiel mit Gegner bezeichnen – eine gute Taktik, die dazu führte, dass Brasilien zwar den Ball und das Mittelfeld ab und an kontrollierte, nie jedoch das Spiel. Dennoch hätte auch hier gerne mal der zumindest Graustift ausgepackt werden dürfen und die Frage gestellt werden, wie es sein kann, dass Löw 120 Minuten lang seine Fehler gegen Algerien nicht wirklich ausmerzt, Mustafi nur durch eine Verletzung von der Position des RV erlöst wurde, wieso Spieler wie Großkreutz eigentlich mitgenommen wurden, wenn am Ende eh selbst der eigentlich aussortierte Mustafi spielen darf. Löw hat sicher vieles richtig gemacht, manches, die Standardsituationen seien erwähnt, nur auf Drängen von Flick und den Spielern. Statt diese Sachen jedoch zumindest kritisch anzumerken, ergeht sich das öffentliche Medium, namentlich ZDF und ARD, lieber in charmanten Berichten über das Klima im Team und stempelt solche Dinge eher als lausbubenhaftes Besserwissen vom Trainerteam ab, über das Löw cool drüber steht.

van Gaal: Was bei Löw noch lustig ist, wird bei van Gaal jedoch schnell zu Spott. Dass er sich beim Wechsel gegen Argentinien verspekulierte, veranlasste Scholl zu einer Generalkritik, das taktische Spiel der Holländer sei hässlich anzusehen und zudem wäre es bei einer so taktischen Herangehensweise logisch, im Halbfinale auszuscheiden. Das klingt geradezu absurd, betrachtet man nämlich einmal den holländischen Kader, fällt auf, dass dieser von allen Halbfinalisten mit Abstand am schwächsten sein dürfte. Die IV besteht aus Talenten und Vlaar, dem holländischen Robert Huth, das Mittelfeld aus Sneijder und Talenten, die Offensive aus Robben und ganz selten mal van Persie. Van Gaal blieb schlicht nicht viel mehr übrig, als solch ein Spiel wie gegen Argentinien zu erzwingen, wenn auch sicher nicht alles gut gelaufen ist und manche Situationen schlecht ausgespielt wurden – van Gaal erkannte das übrigens und korrigierte im Spiel mehrfach. Nur weil eine Taktik jedoch nicht aufgeht und im Elfmeterschießen scheitert, heißt das noch lange nicht, dass sie die Niederlage alleine herbeigeführt hat.

Sabella: Wenn man jedoch bei Taktik ist, müsste man Sabella erwähnen. In die Qualifikation noch mit einer unsicheren Abwehr ausgestattet, spielt Argentinien defensiv unglaublich stabil. Die Räume werden gut verengt, das Positionsspiel passt, das Zentrum ist geschlossen und die Spieler verschieben gut. Wie gut sich Deutschland gegen diese Defensive schlagen wird, bleibt abzuwarten – vielleicht erkennt das deutsche Fernsehen bis dahin diese Entwicklung sogar und spricht sie einmal an. Denn bislang wurde, wenn über Sabella geredet wurde, maximal über sein Mentor gesprochen oder darüber, dass Messi ihm angeblich die Taktik diktieren würde.

Scolari: Tatsächlich wird im Zusammenhang mit Scolari ab und an sogar wirklich über Taktik geredet. Allerdings vergisst man dann immer wieder, dass Taktik auch mit Spielermaterial zusammenhängt. Spätestens hier hört es dann aber auf. Kritisch darauf angesprochen, ob Kaká, Ronaldinho, Damiao oder gar Coutinho nicht eventuell mehr gebracht hätten, als eine Mannschaft, die nur auf Neymar und Spielzerstören ausgerichtet ist, wurde Scolari nie. Selbst der Vorwurf, taktisch eigentlich immer gleich zu agieren, kam kaum einmal auf – letztlich wurde Scolari nur bemitleidet. Etwas, das eigentlich denjenigen zukommen sollte, der diese Berichterstattung ertragen muss.


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